Vom Nationalsozialisten zum Hitler-Erklärer: Die autobiografischen Umdeutungen des Psychiaters Johann Recktenwald (1882–1964)

Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie(2022)

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Abstract
ZusammenfassungZiel der Studie Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht der bislang wenig beleuchtete Psychiater Johann Recktenwald (1882–1964): Vom Vorwurf des „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ freigesprochen, trat er im Nachkriegsdeutschland mit einer neuropsychiatrischen Abhandlung über Hitler an die Öffentlichkeit. Doch steht diese Selbstdarstellung eines Hitler-kritischen Nervenarztes im Einklang mit den überlieferten historischen Quellen? Wie war Recktenwalds Verhältnis zum NS-Regime, und wie verhielt er sich im „Dritten Reich“ gegenüber den ihm anvertrauten Patienten?Methodik Der Aufsatz basiert im Wesentlichen auf z.T. erstmals ausgewerteten Dokumenten verschiedenster Archive sowie auf Gerichtsprotokollen. Diese werden ergänzt und abgeglichen mit den Schriften Recktenwalds und der verfügbaren Sekundärliteratur.Ergebnisse Recktenwald diente sich im „Dritten Reich“ in mehrfacher Hinsicht dem NS-Regime an, trug Mitverantwortung für zahlreiche Patientenmorde und rückte so in die Rolle eines NS-Täters. Nach seinem Freispruch im Nachkriegsdeutschland war er bestrebt, durch die kritische Auseinandersetzung mit der Psychopathologie Hitlers eine persönliche Distanz zum Nationalsozialismus zu konstruieren, die zugleich der eigenen Exkulpation diente.Schlussfolgerung Recktenwald ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für den Versuch von NS-Tätern, die eigene Rolle im „Dritten Reich“ retrospektiv umzuschreiben – und zugleich Spiegelbild einer Nachkriegsgesellschaft, die bereit war, derartige biografische Umdeutungen zu akzeptieren, um der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ausweichen zu können.
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