Trendbericht Physikalische Chemie 2017: Atomare und molekulare Tunnelprozesse

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Abstract
Der quantenmechanische Tunnelprozess für schwere Teilchen Friedrich Hund1–3) entdeckte den quantenmechanischen Tunnelprozess an molekularen Transformationen schwerer Teilchen, etwa bei der Umwandlung von Enantiomeren oder bei der Inversion von Ammoniak.2–7) Bei vielen Prozessen mit H-Atomen und auch mit schwereren Atomen wie C, N, S und Cl kann dieser Effekt entscheidend sein. Die klassische Molekulardynamik (MD) mit empirischen Kraftfeldern8–11) sowie die Car-Parrinello-ab-initio-MD auf der Grundlage von Potenzialhyperflächen aus Dichtefunktionaltheorien12) vernachlässigen dies aber. Es ist daher wichtig, exakte Verfahren und gute Näherungsverfahren zu entwickeln, die Tunnelprozesse beschreiben. Zunächst wurden die Quanten-Monte-Carlo-Methoden angewendet, um Tunnelprozesse in durch Wasserstoffbrücken gebundenen Komplexen wie (HF)2 volldimensional zu beschreiben.13–15) Später kamen die breiter nutzbaren DVR-Verfahren (Discrete Variable Representation),16–21) welche die Stereomutationsreaktion zwischen den Enantiomeren des chiralen Wasserstoffperoxidmoleküls HOOH volldimensional beschreiben (Abbildung 1).22,23) Exakte Verfahren sind in Programmpaketen wie Geniush implementiert.24–26) Sie eignen sich dazu, Näherungsverfahren zu überprüfen, etwa das quasiadiabatische Kanal-RPH-Verfahren22,23,27) (Reaction Path Hamiltonian),28) das ältere Konzepte wie das quasiadiabatische Kanalmodell29–31) oder ähnliches32,33) nutzt. Verwandte Näherungskonzepte finden sich in der Instanton-Theorie für Tunnelprozesse.34–38) Weitere Entwicklungen gibt es bei den RPD-Verfahren (Ring Polymer Dynamics).35,39,40) Quantenmechanische Pfadintegralmethoden erweitern die Programmsysteme der klassischen MD, damit sie auf biomolekulare Tunnelprozesse anwendbar sind.34,41–52) Ein weiteres Verfahren, die Quantendynamik vielatomiger Moleküle zu beschreiben, beruht auf der MCTDH-Methode (Multi Configuration Time Dependent Hartee).53–56) Das Multimode-Package wurde ebenfalls auf Tunnelprobleme angewandt.57–59) Zudem wird der elektronische und der Kernfluss beim Tunneln theoretisch untersucht.60–64) Für den Tunnelprozess bei der Stereomutation des Wasserstoffperoxidmoleküls (Abbildung 1) wurden zum ersten Mal die stationären Zustände der Spektroskopie und ihrer zeitabhängigen Wellenpaketdynamik quantenmechanisch 6D beschrieben, also auf einer volldimensionalen Potenzialfläche für die sechs internen Freiheitsgrade.65) Eingesetzt wurden dazu exakte DVR-Methoden.22,23) H2O2 eignet sich wegen der großen Tunnelaufspaltung von zirka 10 cm−1 im Grundzustand (Tabelle) als Prototyp für einen Tunnelprozess nach Hund, wo die Paritätsverletzung vernachlässigbar ist.66,67) Die modenselektiven Tunnelzeiten sind eine Funktion der Anregung verschiedener Freiheitsgrade (Tabelle). So verlangsamt die OH-Streckschwingung den Tunnelprozess, obwohl die Anregungsenergie ein Vielfaches der Barrierenhöhe beträgt: Es bleibt ein quasiadiabatischer Tunnelprozess mit leicht verändertem effektiven Potenzial und einem durch die OH-Streckschwingungsanregung erhöhten Trägheitsmoment, was die Verlangsamung des Prozesses erklärt. Ähnliche Effekte zeigt die Inversionsbewegung im Anilin (mit dem chiralen Isotopomer C6H5NHD).68,69) Abbildung 2 (S. 308) zeigt die Wellenpaketbewegung im Grundzustand des H2O2-Moleküls. Dargestellt ist die sechsdimensionale quantenmechanische Wahrscheinlichkeitsdichte als Funktion des Torsionswinkels (integriert über die anderen fünf Freiheitsgrade). Die anfangs links lokalisierte Dichte hat etwa eine gauß’sche Form um die Gleichgewichtsgeometrie des einen Enantiomers, die dann in etwa 1,5 ps durch den Tunnelprozess in die rechts lokalisierte Form in der Nähe der Gleichgewichtsgeometrie des zweiten Enantiomers wandert. Die detaillierte volldimensionale Wellenpaketanalyse eignet sich dazu, die quasiadiabatische Kanal-RPH-Näherung zu prüfen. Auch bei hohen Energien findet man quasiadiabatisches Tunneln oberhalb der Barriere. Die unterschiedlichen Tunnelgeschwindigkeiten bei Anregungen verschiedener Kanäle in allen möglichen Freiheitsgraden kann zur modenselektiven Tunnelkontrolle der Reaktionsgeschwindigkeiten dienen, etwa mit Laseranregung.70) Solche Prozesse haben im Zusammenhang mit Paritätsverletzungen in chiralen Molekülen eine neue, grundlegende Bedeutung erhalten.71,72) Hier erzeugt die Paritätsverletzung ein asymmetrisches Potenzial (Abbildung 3). Obwohl die vorhergesagte Asymmetrie zwischen den Enantiomeren im Sub-feV-Bereich liegt, dominiert sie die Dynamik in Molekülen mit sehr kleiner Tunnelaufspaltung.70) Beispiele sind das HOOH-analoge ClOOCl-Molekül70,73,74) und das 1,2-Dithiin-Molekül.75,76) Ein weiteres Beispiel ist Trisulfan.77) Für dieses Molekül werden Tunnelaufspaltungen ΔE± von weniger als (hc)·10−20 cm−1 (entsprechend etwa 1 yeV, Yoktoelektronenvolt = 10−24 eV) im Grundzustand berechnet, während die paritätsverletzende Energiedifferenz ΔPVE, also die effektiven Asymmetrien der Potenziale, bei (hc)·10−11 bis 10−12 cm−1 (entsprechend 1 bis 0,1 feV) liegen.70,73–77) In diesen Fällen dominiert die Paritätsverletzung die Quantendynamik.78) Die extrem kleinen Werte von ΔPVE lassen sich nach dem Schema in Abbildung 4a messen. Nachdem ein Paritätszustand gewählt wurde, wird ein Paritätsisomer eines chiralen Moleküls präpariert, das gleichzeitig R- und S- (oder P- und M-) Enantiomer ist, also eine Superposition der beiden Enantiomere mit wohldefinierter Parität (in Abbildung 4 negativ). Durch Paritätsverletzung entwickelt sich dieser Zustand in einen Zustand entgegengesetzter Parität, der ein anderes Spektrum erzeugt (Abbildung 4b). Dabei folgt die Besetzung p+(t) des neuen (anfangs verbotenen) Zustands der Gleichung p+(t) = sin2(πtΔPVE/h) = 1 − p–(t) und entspricht am Anfang p+(t) ¼ π2t2ΔPVE2/h2. Dieser Zustand ist durch Mehrphotonenionisation nachweisbar. Experimente mit dem achiralen Ammoniakmolekül erreichten eine Empfindlichkeit, die genügt, um Werte von ΔPVE = 100 aeV oder größer zu messen.79) Wie eine Simulation zeigt, wäre die Messung von ΔPVE am chiralen ClOOCl möglich (Abbildungen 5 und 6).70) Diese Simulation ist ein erstes Beispiel, Tunnelprozesse unter Einschluss der schwachen paritätsverletzenden Wechselwirkung mit koheränter Laseranregung zu behandeln. Die zeitabhängige Wechselwirkung mit dem Laserfeld wurde mit und ohne quasiresonante Näherung berechnet.80–83) Allerdings existieren in dem hierfür benötigten Frequenzbereich, dem langwelligen Infrarot, keine geeigneten Laser. Die Laserlichtquellen für ein solches Molekülstrahlexperiment im mittleren Infrarot79) sind für Moleküle wie 1,2-Dithiin und Trithian verfügbar, die Zustände für die Paritätsselektion oberhalb von 2500 cm−1 haben.75–77) Für das paritätsverletzende Potenzial des 1,2-Dithiin wird ein günstiger, hoher Wert für ΔPVE vorhergesagt (etwa 1 feV oder ΔPVE/hc ¼ 10−11 cm−1, Abbildung 7). Beim Trithian muss man wegen der zwei gehinderten S-H-Rotoren mindestens ein zweidimensionales Tunnelproblem behandeln (Abbildung 8). Für solche fünfatomigen Moleküle ist eine exakte volldimensionale Lösung des Tunnelproblems in Reichweite.24–26,159) Die schwach asymmetrischen Potenziale chiraler Moleküle unter Einfluss der Paritätsverletzung sind ein Extremfall, der nur theoretisch erschlossen ist. Größere Asymmetrien findet man für Isomerisierungsreaktionen isotop substituierter Moleküle. Für solche Reaktionen ist das elektronische Born-Oppenheimer-Potenzial für Tunnelprozesse symmetrisch. Bei Substitution mit Isotopen wird das effektive Potenzial durch Nullpunktsenergieeffekte asymmetrisch. Ein einfaches Beispiel ist die Umordnung der Wasserstoffbrückenbindung im HF-Dimer (Abbildung 9).85) Dieser Prozess vertauscht die Positionen von symmetrisch gleichwertigen H-Atomen im Dimer. Die Tunnelaufspaltung (ΔET/hc) beträgt 0,7 cm−1 im Grundzustand.84) Substituiert man ein H- durch ein D-Atom, werden die beiden Strukturen unterscheidbar (Abbildung 10): Obwohl die Potenzialminima in der Born-Oppenheimer-Näherung die gleiche Energie haben, ist die Nullpunktsenergie dieser beiden Strukturen verschieden. Das führt zu einem Energieunterschied zwischen den Grundzuständen von (ΔEeff /hc) ¼ 70 cm−1.85) Da also ΔEeff À ΔET gilt, sind die Eigenzustände in den betreffenden Isomeren im Grundzustand lokalisiert. In höher angeregten Zuständen findet man ΔEeff ¿ ΔET mit delokalisierten Eigenzuständen. Dieser Übergang wird als Tunnelschaltung (tunneling switching) bezeichnet.70,72,86) Ein weiteres Beispiel findet man bei den Isotopomeren des CH4+-Ions.87–90) Hochaufgelöste spektroskopische Analysen von Tunnelprozessen dieser Art in komplexeren und größeren Molekülen sind rar. Nach einer Vorhersage ist für ortho- oder meta-deuteriertes Phenol ein Energieunterschied in der Größenordnung von (ΔEeff/hc) ¼ 1 cm−1 zu erwarten.86) Dies bestätigten GHz- und THz(FTIR)-Spektren mit Synchrotronstrahlung.91) Für den Grundzustand und den Übergang zum ersten angeregten Zustand der Torsionsschwingung der OH-Gruppe relativ zum aromatischen Gerüst findet man effektiv lokalisierte isomere Strukturen. Dies belegen die unterschiedlichen Rotationskonstanten der Isomere in den reinen Rotationsspektren und in den Schwingungs-Rotationsspektren sowie der Vergleich mit der Theorie.91) Man findet separate Übergänge für beide Isomere, ohne Übergänge zwischen ihnen. Ab dem mit zwei Quanten angeregten Torsionszustand findet man delokalisierte Strukturen und erlaubte Übergänge zwischen syn- und anti-Strukturen (Abbildung 11). Die betreffenden Übergänge sind schwächer als die Hauptübergänge in der Mitte des Spektrums, aber die Rotationsfeinstruktur lässt sich präzise simulieren und die spektroskopischen Parameter lassen sich ermitteln. Eine reine Ab-initio-Vorhersage mit dem quasiadiabatischen Kanalmodell ergibt ein ähnliches Bild, das ausgezeichnet mit dem Experiment übereinstimmt. Dieser erste spektroskopische Nachweis eines solchen Tunnelschaltens ist von Bedeutung für entsprechende Analysen an Molekülen wie 1,2-Dithiin, die Tunnelschalten mit paritätsverletzenden Potenzialen zeigen. Dies erfordert höchstaufgelöste Laserspektroskopie. Das Tunnelschalten in Molekülen wie m-D-Phenol eignet sich für quantenmechanische molekulare Schalter und eine darauf aufbauende Quantentechnologie und quantenmechanische Maschinen.91) Hier sei auf den Isotopeneffekt hingewiesen, der durch die paritätsverletzende schwache Wechselwirkung in isotop chiralen Molekülen zustande kommt92) Diesen haben Berger et al.93) erstmals berechnet, und zwar für PF35Cl37Cl. Voraussetzung für diesen Effekt wie für stabile isotope Chiralität ist ein genügend kleiner Tunneleffekt für die Stereomutation (nicht erfüllt beispielsweise bei NHD-Anilin oder Wasserstoffperoxid). Die kleinen Effekte isotoper Chiralität werden seit einiger Zeit im Zusammenhang mit asymmetrischer Induktion diskutiert,94) was im allgemeinen Zusammenhang der Evolution der biologischen Homochiralität von Interesse ist.95–97) Wenn asymmetrische Induktion durch isotope Markierung mit schweren Atomen wie 14N oder 15N möglich ist, ist dies ein Indiz für eine asymmetrische Induktion durch die sehr kleinen Effekte der paritätsverletzenden schwachen Wechselwirkung.96,99) Bei Komplexen, die durch Wasserstoffbrücken gebunden sind, verlaufen Tunnelprozesse wegen der geringen Barrieren oft schnell. Viele Studien verwenden Mikrowellen- oder IR-Spektroskopie, um die Prozesse zu untersuchen.84,85,100–108,160) Drei neuere Beispiele betreffen Struktur und Tunneln in Methylsalicylat-Monohydrat,109) Benzosäure-Monohydrat110) und das Trimer des Fluorethanols.111) Weitere Tunnelsysteme wurden durch Tieftemperatur UV-Vis- und NMR-Spektroskopie untersucht mit dem Ziel, den Einfluss der Polarität auf die Isomerisierung von Carboxylaten und ähnliche Phänomene zu verstehen.112,113) Anstrengungen wurden unternommen, die Mikrowellen- und Ferninfrarotspektren von H2O-Clustern in der Theorie zu verstehen.114–116) Der Übergang zu Quanteneffekten und Tunnelprozessen in unterkühltem Wasser wurde durch Neutronenstreuung und Relaxationsspektroskopie untersucht.117) Das Geniush-Programm wurde genutzt, um Spektren und Tunnelprozesse in den ionischen Komplexen F−(H2O) und F−(D2O)118) sowie den Prototypkomplex (CH4-H2O) zu untersuchen,119) der Grundlage für Methanhydrate ist. Der Doppelprotonentransfer durch Tunneln im Ameisensäuredimer (HCOOH)2 ist ein einfacher Prototyp für diese Art von Prozessen.107,120–123) Vor Kurzem wurde versucht, das System auf einer volldimensionalen Potenzialhyperfläche näherungsweise zu beschreiben.124) Isomerisierungreaktionen mit Barrieren zwischen 30 und 60 kJ·mol–1 lassen sich gut mit Infrarotspektroskopie in einer Tieftemperaturmatrix untersuchen. Hier bewirkt Absorption eines Photons im infraroten bis sichtbaren Spektralbereich die Reaktion. Beispiele für solche Isomerisierungen mit wesentlichen Beiträgen von Tunnelprozessen sind 2,4-Pentandion,113) Tetrazol-5-ylessigsäure (TAA, tetrazole-5-yl-acetic acid),125) Glyoxalsäure,126) α-Ketocarbonsäure (Pyruvat),127) Oxalsäure,128) Kohlensäure129) und Trifluormethylhydroxycarben.130) Um die Daten zu interpretieren, werden oft Ab-initio-Rechnungen in Verbindung mit der Wenzel-Kramers-Brillouin(WKB)-Theorie des Tunnelns eingesetzt. Methylhydroxycarben163) zeigt zwei konkurrierende Reaktionen: zum Vinylalkohol durch [1,2]-H-Wanderung über die C-C-Bindung und zum Acetaldehyd durch eine [1,2]-H-Wanderung über die C-O-Bindung. Unterhalb von 250 K ist die Reaktion zum Acetaldehyd bevorzugt; die Barriere ist höher, aber schmaler als der Konkurrenzkanal, was nach der Theorie leicht zu verstehen ist.131,163) Eine komplexere Tunnelreaktion ist der Protonentransfer von Triplett-2-Formylphenylazid, das durch UV-Photolyse entsteht. Es reagiert im Dunkeln in sieben Stunden zu 6-Imino-2,4-cyclohexadien-1-keten. Die (1,4)-H-Atomwanderung vom Nitren zum Iminoketen verläuft als Tunnelprozess auf der Triplettpotenzialfläche, bevor das Molekül auf den Grundzustand zurückfällt.132) Die Tautomerisierung von Porphycen wurde durch Femtosekunden-Pump-Probe-Experimente im Molekülstrahl untersucht. Die Isomerisierungsgeschwindigkeiten sind im S0-Zustand um eine Größenordnung schneller als im S1-Zustand, es zeigt sich ein starker Isotopeneffekt bei N-Deuterierung.131) Diese Studie wurde auf 19 verschieden substituierte Porphycene erweitert,133,134) auf He-Tröpfchen im Strahl135) und auf die Cu(111)-Oberfläche.136) Dazu kamen Untersuchungen an Einzelmolekülen mit einem Rastertunnelmikroskop (Scanning Tunneling Microscope, STM).137,138) Die eindimensionale Rotationsbewegung des CH2Cl-Radikals um die C-Cl-Achse wurde mit IR-Spektroskopie untersucht, nachdem CH2ClI bei 3,7 K in Parawasserstoff zu CH2Cl• photodissoziiert wurde. Dabei wandelte sich die Kernspinsymmetrie zwischen ortho und para innerhalb einiger Stunden um.139) Die Konformerenzusammensetzung und die Konformerenumwandlung nach UV-Bestrahlung von β-Alanin wurde in Parawasserstoff mit FTIR-Spektroskopie untersucht. Diese Konformerenumwandlung war effizienter und schneller als in einer Ar-Matrix.140) Benzvalen, Fulven und Dewar-Benzol wurden in Parawasserstoff durch Bestrahlung von Benzol bei 253,7 nm und 193 nm erzeugt. Hier waren innerhalb von Tagen weder Tunnelreaktionen für Isomerisierung noch Reaktionen mit einem Wasserstoffmolekül aus der Matrix feststellbar.141) Das Tunneln schwerer Atome ist der dominante Mechanismus bei Ringerweiterungs- und Ringöffnungsreaktionen bei tiefen Temperaturen, nachdem die Moleküle durch sichtbare oder ultraviolette Photonen aktiviert wurden. Aktiviertes 1H-bicyclo[3.1.0]-hexa-3,5-dien-2-on lagert sich um zu 4-Oxacyclohexa-2,5-dienyliden. Die Reaktionsgeschwindigkeit für die Umlagerung war unterhalb 20 K temperaturunabhängig und wurde als Tunnelprozess interpretiert.142) Wie Experimente in H2, HD und D2 bei Temperaturen unterhalb von 4 K zeigen, bestimmen Tunnelprozesse die Einschiebung von 1-Azulenylcarben in H2 und D2.143) Benzazirin wurde nach der Photolyse von 4-Methoxyphenylazid und 4-Methylthiophenylazid IR-spektroskopisch identifiziert. Trotz Barriere von rechnerisch 14 kJ·mol–1 lagerten sich die Benzazirine bei 10 K durch einen Tunnelprozess zu Keteniminen um.144) Durch einen ähnlichen Tunnelprozess reagiert Triplett-2-Formylphenylnitren, das durch Photolyse aus 2-Formylphenylazid entstand, zu Singulett-6-Imino-2,4-cyclohexadien-1-keten.145) Die Ringaufweitung in Noradamantylmethylcarben führt entweder zu 2-Methyladamanten oder zu 3-Vinylnoradamantan. Wie DFT-Rechnungen zeigen, ist bei 10 K die Bildungsgeschwindigkeit von 3-Vinylnoradamantan um acht Größenordungen größer als die zu 2-Methyladamanten.146) Die Small-curvature-tunneling(SCT)-Näherung diente dazu, die Tunnelkorrekturen abzuschätzen, die zu den klassisch berechneten Reaktionsgeschwindigkeiten für die Ringerweiterung von Noradamantylcarbenen zu Adamantenen beitragen. Nach den Rechnungen dominiert für Temperaturen unterhalb von etwa 40 K die Umlagerung durch das Tunneln schwerer Atome.147) Andere Reaktionen, die sich als Tunnelprozess mit schweren Atomen betrachten lassen, sind die Umwandlungen substituierter Pentalene, Heptalene und Acepentalene.148) Für die Prototypreaktion der entarteten Isomerisierung von Semibulvallen ergaben Vorhersagen bei tiefen Temperaturen eine temperaturunabhängige Geschwindigkeitskonstante von 2·10−3 s−1.149) Messung der Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung nach Synthese einer Mischung von 1,5-Dimethylsemibulvallen-2-d1 und -4-d1 überprüfte dies.150) Auch für die einfachsten Prototyptunnelprozesse des Ammoniakmoleküls gibt es neue Ergebnisse. Im vergangenen Jahrzehnt wurden mehrere volldimensionale Potenzialhyperflächen formuliert, von denen eine semiglobale nicht nur den Tunnelprozess der Inversion bei Energien unterhalb von 30 kJ·mol–1 berücksichtigt, sondern auch alle möglichen weiteren Dissoziationsreaktionen bei höheren Energien.151) Modenselektives Tunneln wurde für das Ammoniakmolekül und seine Isotopomere wiederholt diskutiert.106, 152, 153) Mehrere Arbeiten diskutieren die Tunnelaufspaltungen151,152,154,155) sowie die zeitabhängige Dynamik einiger Isotopomere152,156) und erweitern sie auf die gesamte Isotopenreihe NH3, NH2D, NHD2, ND3, NHDT, NH2Mu, ND2Mu und NHDMu, wobei die Stereomutation der chiralen Isotopomeren von besonderer Bedeutung ist.157) Hochaufgelöste Infrarotspektren mit IR-Lasersystemen ergaben die Hyperfeinstruktur angeregter NH-Streckschwingungstunnelzustände und dienten dazu, die Messung paritätsverletzender Energiedifferenzen in chiralen Molekülen vorzubereiten.79) Tunneln ist nicht nur allgemein relevant für Umwandlungsprozesse,162) sondern beeinflusst auch die Molekülstruktur, wenn die atomare Wellenfunktion tief in den klassisch verbotenen Bereich der Potenzialfunktion eindringt. Ein extremes Beispiel hierfür ist das sehr schwach gebundene He2-Molekül.158) Zirka 80 Prozent der Wahrscheinlichkeitsdichte im Grundzustand des Moleküls befinden sich im klassisch verbotenen Bereich. Das führt zu einer extrem großen effektiven Bindungslänge, die keinesfalls als scharf definierte Größe zu verstehen ist.
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Heavy-Atom Tunneling,Tunneling Control,Molecular Simulations,NMR Chemical Shifts,Hybrid Density Functionals
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